ALTsTARSDTH

Karl-Heinz Wanders: Fortuna Düsseldorf
"Papi" und die schwarze Kasse im Brotschrank

(aus dem Buch "Bauernköppe, Bergleute und ein Pascha - Die Geschichte der Regionalliga West 1963-1974 Band1" von Ulrich Homann, ISBN 3-88474-345-7, Klartext Verlag)

"Fortuna hat die Männerwelt - mit ihren strammen Beinen - verrückt gemacht und kopfgestellt, - allein durch ihr Erscheinen!" Der Sportjournalist Helmut Wegener hat unter dem Gütezeichen Otto-Otto diesen Vers der Düsseldorfer Fortuna zu deren 75jährigen Jubiläum 1970 ins Stammbuch geschrieben. Wegener mag mit seiner Auffassung goldrichtig gelegen haben, zumal sich die Fortuna in jenen Tagen anschickte, den Wiederaufstieg in die erste Bundesliga zu verwirklichen. Nur mit der Bestimmung der Fußball-Geburtsstunde des Vereins hat dies eigentlich nichts zu tun. Denn der Düsseldorfer Turn- und Sportverein Fortuna 1895 stammt, wie übrigens das Gros der westdeutschen Klubs, aus dem Turnerlager. Am 5. Mai 1895 wurde der Flinger Turnverein aus der Taufe gehoben. Zu einem Zeitpunkt, als das Fußballspiel als Fußlümmelei noch verpönt war. Dennoch wurde im Flinger Turnverein der Grundstock gelegt, daß ab 1908 im östlichen Stadtteil Düsseldorfs, im Spielverein Flingern, offiziell der Ball gekickt wurde. Durch einen Zusammenschluß mit dem Club Alemannia entstand schließlich 1912 die Fortuna, die ihren Namen eines zufällig des Weges fahrenden Brotwagens mit selbiger Aufschrift verdankt. Eine andere Bezeichnung war den Männern der ersten Stunden schlichtweg nicht eingefallen.
Fortuna konnte sich glücklich schätzen, in Paul Janes den lange Jahre als Rekordinternationalen geltenden Weltklasseverteidiger (71 Länderspiele) zu besitzen und mit Ernst Albrecht und Tau Kobierski Europas beste Außenstürmer zu stellen. Von dem Ruhm zehrte der Verein noch nach dem so schrecklichen zweiten Weltkrieg. Janes und Kobierski streiften nochmals die Fußballstiefel über, spielten bis 1951. Dann kam noch unter der Geschäftsführung von DFB-Spielausschußobmann Hans Körfer ein Toni Turek aus Ulm, Deutschlands bester Keeper, zum Flinger Broich. Kurt Borkenhagen, Jupp Derwall, "Hammer" Erich Juskowiak, Gerd Harpers, Albert Görtz, Günter Jäger, Matthes Mauritz, Hans Neuschäfer oder Berni Steffen waren Nachkriegs-Nationalakteure, bildeten mit den Brüdern Kais und Martin Gramminger, Herbert Jäger, Gerd und Kalli Hoffmann eine Parade von exzellenten Spitzenspielern. Aber trotz aller klangvollen Namen stellten sich Erfolge wie vor dem Weltkrieg nicht mehr ein. Es blieb ein Trugschluß, daß diese Ausnahmespieler Fortuna zur Großmacht am Rhein verhelfen hätten. "So lange noch gesungen wird, ist die Kirche noch nicht aus", lautete der Wahlspruch von Toni Rudolph, Gönner und schon damals eine Art von Manager im Verein zugleich. Gemäß dieser geflügelten Worte ihrer "grauen Eminenz", wie Rudolph auch genannt wurde, steckte die Fortuna im Erfolgsstreben zwar nie auf, lieferte wirklich große Spiele, begeisterte ihren Anhang. Nur den Pferdefuß, zumeist gegen vermeintliche Außenseiter zu verlieren, bereits erobertes Terrain leichtsinnig zu verspielen, wurde Fortuna nie mehr los. So wurde in den 50er Jahren der Begriff von der launischen Diva geboren. Denkt man nur an den verpaßten Einzug in die 1962 beschlossene Bundesliga. Fortuna mußte vielmehr ab 1963 ein Regionalliga-Dasein fristen, von dem die Vereinsführer wohl ebenso schlimm überrascht wurden wie Düsseldorfs Fans. Schließlich hatte man dem Versprechen des Nürnbergers Dr. Ludwig Franz als erstem Vorsitzenden des Bundesliga-Ausschusses vertraut. Der hatte dem Fortuna-Vorstand nach dem Pokal-Endspielpech gegen den 1. FC Nürnberg (1962 in Hannover 1:2) angedeutet, daß "die besonderen Leistungen der Düsseldorfer Mannschaft bei der Zusammensetzung der Bundesliga sicherlich berücksichtigt werden." Aber der DFB sagte "Ätsch", jedenfalls im übertragenden Sinn. Fortuna war zwar unter den 46 Vereinen vertreten, die sich um den Einzug ins Fußball-Oberhaus bewarben, erreichte den Platz an der Sonne jedoch nicht. Es fehlte letztlich die erforderliche Leistungspunktzahl, die aus dem sportlichen Abschneiden der drei letzten Jahre errechnet wurde. Der heutige DFB-Pressesprecher Wolfgang Niersbach schilderte die Situation so:


Das Foto zeigt zwar Fortunas Erstliga-Mannschaft aus dem Jahre 1972, doch die meisten gehörten bereits der Aufstiegsmannschaft vom Vorjahr an. Stehend (jeweils v.l.): Hesse, Schulz, Beiroth, Kriegler, Lungwitz, Budde. Zweite Reihe: Trainer Lucas, Geye, Biesenkamp, Galakos, Helmrich, Zewe, Herzog, Kipp, Masseur Henselmann. Vorn sitzend: Baltes, Köhnen, Woyke, Büns, Sichmann, Senger, Betreuer Heidelberger.

Für den Westen war, nachdem neun Klubs schon bekannt waren, deren Qualifikation außerhalb jeglicher Diskussion gestanden hatte, nur noch ein Platz frei. Trotz der vorgeschriebenen Geheimhaltung sickerte durch, daß vier Vereine in etwa gleichrangig eingestuft wurden: Alemannia Aachen, der Meidericher SV, Westfalia Herne und die Fortuna. Das Rennen schien für Aachen gelaufen zu sein; denn schließlich hatte die Alemannia nach dem Krieg ohne Unterbrechung der Oberliga West angehört. Der Liga-Ausschuß entschied sich jedoch für die Meidericher "Zebras" und lieferte die Begründung: "Da alle vier Bewerber ungefähr die gleichen Voraussetzungen boten, war die Plazierung der Saison 1962/63 ausschlaggebend." Und da war die Fortuna unter ihrem Trainer Jupp Derwall, der nach einem Gastspiel in der Schweiz nach Düsseldorf zurückgekehrt war, halt nur Dreizehnter geworden. Da half auch ein Protestbrief, der auf eine prekäre Saisonlage mit den langzeitverletzten Stammspielern wie Jäger, Krafft, Straschitz und Wolffram hinwies, nichts mehr.
Daß die Fortuna den Aufsprung auf den Bundesligazug verpaßt hatte, war nicht nur auf vorheriges taktisches Fehlverhalten zurückzuführen. Schlechtes Beispiel für einen Taktik-Fehlgriff hatte beispielsweise die 3:4-Niederlage aus der Saison 1958/59 gegen den FC Köln geliefert. Vor der Nachkriegs-Rekordkulisse von 56.000 Zuschauern hätte Fortuna schon ein Unentschieden gereicht, um als Zweiter der Westmeisterschaft hinter Westfalia Herne in die Endrunde zur Deutschen Meisterschaft einzuziehen. Doch es gab nach dramatischem Ringen mit der Sondereinlage eines Bisses von Polizeihund Ajax in den verlängerten Rücken von dem ins Tornetz gerutschten Fortuna-Linksaußen Dieter Wöske eine 3:4-Niederlage. Nicht zuletzt deshalb, weil Trainer Hermann Lindemann beim Spielstand von 3:3 seine Spieler zu einem unkontrollierten Sturmlauf animiert hatte. Da wurden selbst so erfahrene Cracks wie Derwall, Mauritz und Juskowiak, möglicherweise auch angesteckt vom Begeisterungstaumel der Zuschauer, übermütig. Kölns Nationalspieler Georg Stollenwerk versetzte Fortuna mit einem Kontertreffer den K.o. Am Tag darauf machte Trainer Lindemann, bekannt als großer Zocker, der beim Kartenspielen selbst die eigenen Spieler bis aufs Hemd auszog, seinen Torwart Heinz Klose in einer Art und Weise madig, bei deren Wiedergabe sich die Feder sträubt. Der stets so zurückhaltende Klose, der solange im Schatten des Toni Turek verharrt hatte, hätte Grund zu einer Beleidigungsklage gehabt. Es ist müßig nachzukarten, ob die Fortuna mit ihrem damaligen Rekordsturm (Steffen, Wolffram, Jansen, Derwall und Wöske erzielten 89 Tore) nicht sogar den Titel geholt hätte. Übrigens wurde in Spielerkreisen offen darüber gesprochen: Wer Frau Lindemann unter der Woche einen Blumenstrauß bringt, der wird am Wochenende aufgestellt. "Ich verfüge zum Glück noch über meine Mandeln, im Bertelsmann-Bücherbund bin ich auch noch nicht", kommentierte mit Sarkasmus Amateur-Nationalkeeper Albert Görtz nach Fortunas Abstieg im folgenden Jahr. Ungereimtheiten, die der Vereinsführung mehr oder minder offen unterstellt wurden. Angeblich hatte der Vorsitzende Dr. Thier in Spielerkreisen angeregt, Mandeloperationen vornehmen zu lassen, um die Widerstandsfähigkeit der Akteure zu verbessern.


Wenn Kalli Hoffmann sich an der Außenlinie behandeln ließ, dann mußte es schon weh tun. Fortunas Dauerläufer gehörte nicht zu den Wehleidigen.

Und Vize Georg Gebhardt sollte gleichermaßen mit Bücher-Abos für seinen Brötchengeber geworben haben. Das paßte alles wie die Faust aufs Auge, denkt man in diesem Zusammenhang an den Mann mit dem Koffer, der in jenen Fußballtagen offenbar ständig unterwegs war. Doch häufig war das Schmiergeld regelrecht in den Kamin geschrieben. Denn die Fortuna rettete ein in letzter Minute und den Erzählungen nach gekaufter Sieg im Niederrheinstadion bei Rot-Weiß Oberhausen nicht mehr vor dem Absturz. Möglich erschienen solche Ergebnis-Transfers unterhalb der Theke durchaus. Schließlich verfügten damals wohl alle Klubs über eine "schwarze Kasse". Fortunas erster Kassierer Franz Jansen, ein im Zivilleben höchst akkurater und ehrwürdiger Mann, den alle Welt nur "Papi" nannte, pflegte die ominöse Kasse im Brotschrank seiner Privatwohnung aufzubewahren. Die Vereinsrechnungen bezahlte Jansen bei notorischem Geldmangel in Flingern nach dem Losprinzip. Glücklich schätzen konnte sich jeder Gläubiger, den der Papi mal gezogen hatte. Gestandene Fortuna-Freunde wie Bert Rudolph als Vereinswirt vom Benrather Hof an der Kö waren bei Jansen jedoch zu unendlichen Wartezeiten verdonnert. Bemerkenswert ist die Tatsache, daß bei Fortuna erst Anfang der 60er Jahre auf Anraten des Spielausschußvorsitzenden Hans-Georg Noack und des Finanziers Heinz Hahn (auch für Jahre Schatzmeister) die erste kaufmännische Buchführung eingeführt wurde. Hahn brachte zu diesem Behufe gleich seinen Buchhalter Hans Meyer mit.
Fortunas sportlich schwarze Tage wurden ausgerechnet durch eine Westafrika-Reise nach Ghana und Nigeria eingeläutet. Schwarz vor Augen wurde es so manchem, als mit Charlie Gyamfi auch noch ein Nationalspieler aus dem schwarzen Erdteil angeheuert wurde. Doch der Nationalspieler aus Ghana zeigte sich als ein liebevoll-prächtiger Kerl, der nur einen Nachteil hatte: Der deutsche Winter behagte ihm überhaupt nicht. Gyamfi kehrte bald wieder in seine Heimat zurück, um dort im Verband seine Erfahrungen aus Old Germany einzubringen. Fortuna gelang zwar der direkte Wiederaufstieg, aber die dann erreichten Plätze 9 und 13 waren einfach zu wenig, um einen Platz an der Sonne, sprich erste Bundesliga, zu ergattern.
Dennoch änderte sich am Flinger Broich einiges. Da wurde mit Trainer Kuno Klötzer ein Fußball-Lehrer verpflichtet, der schon von 1953 bis 1957 in Flingern gewirkt hatte und dem zugetraut wurde, den typisch rheinischen Schlendrian abzustellen. Mit Bruno Recht, Holzhändler von Beruf, kam ein Ratsherr der Stadt und späterer Bürgermeister an die Vereinsspitze. In vielfältiger Weise auf sich aufmerksam machte dazu ein Torjäger namens Peter Meyer, ein waschechter Düsseldorfer Junge, der beim Nachbarklub Wersten 04 aufgewachsen und über die Turu 80 zunächst zur Fortunas Amateurelf gekommen war. Wurde ein Erich Juskowiak wegen seiner unheimlich harten Frei- und Strafstöße "Hammer" genannt, erwarb sich der Pitter zwar nie einen Beinamen, war wegen seiner Unberechenbarkeit im Spiel und beim Torschuß aber ein Schrecken aller Torhüter und wegen seiner lockeren Lebensart beim Fußballfußvolk überaus beliebt. Deshalb kam dem PM auch nie einer auf die Schliche, wenn er seine nächtlichen Ausflüge machte. Den Pitter verriet eben niemand, und selbst ein eigens angesetzter Privatdetektiv fischte bei den Versuchen, Peter Meyer in Kneipen zu stellen, im trüben. Den Privatschnüffler hatte Präsident Bruno Recht angeheuert, nachdem sich vorher Vertragsobmann Noack im Bestreben, den Pitter auf frischer Tat zu ertappen, fast eine Nacht lang die Beine in den Bauch gestanden und bei bitterer Kälte das Gefühl gewonnen hatte, einem Eiszapfen zu ähneln. Meyer verachtete auch keinen Glimmstengel, gehörte zu der Kategorie von Leuten, die man heutzutage als Kampfraucher bezeichnen würde.
Trainer Klötzer, selbst einem guten Schluck nie abhold, tobte wütend, wenn er von einem der Ausflüge seines Schützlings erfuhr. Doch auch Straftraining schreckte Meyer nicht. "Morgen muß ich sowieso wieder in die Kiste", stellte der Pitter bei seinen Eskapaden freimütig fest. Gemeint waren damit schweißtreibende Sonderübungen in der Sprunggrube in Flingern. Aufgelegt für Streiche aller Art war PM immer. Spaß an der Freud schuf er für sich und seine Kollegen. So ritt er trotz der bitteren l:2-Niederlage im Pokalfinale gegen Nürnberg auf einem Schimmel durch die Altstadt zum Empfang im Rathaus, obgleich Pferderücken ihm nichts bedeuteten. Oder er ließ nach einer Wette zum gelungenen Bundesliga-Aufstieg zur Saison 1966/67 seine schmucke schwarze Haarpracht bis zur Glatze scheren.


Zielstrebig suchte Rainer Geye stets den Weg zum Tor. Hier versucht der Bonner Troche vergeblich, ihn zu stoppen. (September 1970)

Riesenwirbel verursachte er in der Sportgerichtsverhandlung, bei dem es sich um den fälschlich ausgesprochenen Platzverweis für Waldi Gerhardt wegen eines angeblichen Fouls an Nürnbergs Torwart Roland Wabra drehte. Ganz geklärt wurde die Angelegenheit nie, obwohl einer der Linienrichter dabei mit Nachdruck betonte, er habe "waagerecht zum Vorfall" gestanden. Jedenfalls wurde Gerhardt freigesprochen, und der wie ein Unschuldslamm dreinschauende Peter Meyer statt dessen gesperrt. Ja, und dann brachte PM wohl das Gros der bundesdeutschen Tototipper auf die Palme, als er mit seinem sagenhaften Tor in letzter Minute zum Bundesliga-Auftakt beim frischgebackenen Europapokalsieger Borussia Dortmund für die Sensation gesorgt hatte. Freilich überwarf sich Peter Meyer in der Bundesligasaison mit Trainer Kuno Klötzer, der als gebürtiger Erzgebirgler einen PM in Eisen zu legen versuchte, wenn es um Verwirklichung taktischer Maßnahmen ging. Reichlich verärgert kehrte Meyer der Fortuna den Rücken, wechselte zum Rivalen Borussia Mönchengladbach, kam neben einem Günther Netzer nochmals als Torjäger groß ins Gespräch und sogar noch zu einem Länderspiel. Ein komplizierter Beinbruch, erlitten bei einem Demonstrationstraining in Duisburg-Wedau beim Zusammenprall mit dem eigenen Torwart (Danner), beendete schließlich die Profi-Karriere dieses höchst eigenwilligen Spielers.


Waldi Gerhardt war mit seinen Säbelbeinen stets ein Unruheherd. Hier düpiert er die Hintermannschaft von Hamborn 07.

Zu Zeiten der Regionalliga West wurde die Fortuna in Süddeutschland bei der Suche nach überdurchschnittlich veranlagten Akteuren fündig, holte mit Gerd Fröhlich einen begnadeten, aber auch nicht ganz braven Fußballer nach Düsseldorf. Fröhlich, vom BC Augsburg stammend, hatte kaum sein Handgeld nach der Vertragsunterzeichnung in der Tasche - das dürfte um die 5.000 Mark gelegen haben -, da stach dem blonden Spielmacher schon ein flotter Flitzer in der Nase. Nur eine knappe Stunde später erkundigte sich die Polizei bei Obmann Noack, ob dieser einen Herrn Fröhlich kenne. Denn der hatte soeben sein Auto zu Bruch gefahren. Ein Tempo, wie es der Augsburger in seinen Spielen für Fortuna nie mehr erreichte, legte der Blondschopf aber schon in einer seiner ersten Trainingsübungen an den Tag. Wie ein Blitz war Fröhlich da in Flingern plötzlich mitten aus dem Betrieb in Richtung Bahndamm südlich des Fortunaplatzes verschwunden. Wie sich später herausstellte, hatte Fröhlich den Vater eines Mädchens gesichtet, mit dem er in seiner Heimatstadt wohl enger verbunden war. Fortunas Vorstand löste den Fall nach Fröhlichs Wiederauftauchen weltmännisch. Präsident Bruno Recht und Mannschaftskapitän Manfred Krafft fuhren letztlich als offizielle Abordnung zur Augsburger Hochzeitsfete. Beinahe wie aus einem Märchen. Vor der Regionalliga-Episode des Klubs stand für die Spieler noch eine Traumofferte zu einer Asienreise. Sie geriet zum Alptraum. Denn ein in Bangkok vereinbartes Spiel kam nicht zustande. Im Iran fand sich anschließend Fortunas Reisetruppe plötzlich mitten auf einem Kriegsschauplatz wieder. Schiiten probten einen Aufstand gegen den Schah, es krachten Schüsse, vor dem Hotel rollten Panzer auf. Doch selbst die unsichere Hotelunterkunft mußten die Akteure verlassen, weil trotz Krieg in Teheran ein Spiel zu absolvieren war. Da fiel angesichts bis an die Zähne bewaffneter Soldaten im Stadion so manchem das Herz in die Hosen. Ebenfalls in die Hosen gingen alle Bemühungen, den Bundesliga-Einzug zu bewerkstelligen. In den Spielzeiten 1963/64 und 1964/65 belegte die Klötzer-Truppe jeweils nur Rang drei. Zunächst hinter Alemannia Aachen und dem Wuppertaler SV, dann hinter Borussia Mönchengladbach sowie der Alemannia aus Aachen. Kuno Klötzer, der bei Fortuna mit Mannschaftsbetreuer Karl Heidelberger einen Landsmann und ein Faktotum von unnachahmlicher Güte angetroffen hatte, konnte jedenfalls ohne übertriebene Hektik weiterarbeiten. Da gab es für die Verantwortlichen allerdings auch abenteuerliche Erlebnisse bei Spielerverpflichtungen. Darunter die des B-Nationalspielers Lothar Ratajzak von der Spvgg Erkenschwick. Durch Ziegenstall und Gärtchen mußte im Revier bei Ratajzaks Fersengeld gegeben werden, als vor der Wohnung unverhofft Konkurrenz aus Marl-Hüls aufgetaucht war, mit der ein Zusammentreffen nicht ratsam erschien. Denn im Pütt ward nie lange gefackelt, wie Klötzer dies durch eine Regenschirmkrücke an Schloß Strünkede einmal schmerzhaft zu spüren bekam. "Ritter Kuno" hatte mit seiner Antwort freilich ebenfalls nicht lange gewartet. Doch ansonsten blieb noch Gelegenheit für herrliche Nebensachen, die im heutigen, harten Bundesliga-Geschäft undenkbar geworden sind. Da gibt es auch Platzmeister vom Schlag eines Peter Niessen, im Flinger Broich der Herrscher aller Preußen, nicht mehr. Niessen, dessen häufig gerötete Nase nicht vom Tragen zu enger Schuhe herrührte, sondern vielmehr vom Schlucken höchst geistiger Tropfen stammte, ließ sich weder von Präsident Recht noch von den Spielern in sein Handwerk reden. Er fuhr stundenlang mit seinem Gefährt über die zu walzende Anlage, obgleich die ohnehin schon arg betagte Walze abseits in einer Ecke lag. Hatte Peter Niessen Krach mit seiner Ehehälfte, steckte er diese kurzerhand in eine Art von Vorratskeller, schlug die Klapptüren zu, zündete sich eine Zigarre an und pflanzte sich mit einem Stuhl gemütlich auf den Verschlag. Gereizt wie ein von Bienen gestochener Bär reagierte der Platzmeister allerdings, als er zu mitternächtlicher Stunde von Trainer Klötzer, Schatzmeister Herbert Kreidt und dem heutigen Vizepräsidenten Werner Faßbender aus den Federn geholt wurde, um am Flinger Broich das Flutlicht einzuschalten. Schließlich wollte das Trio eine in Bierlaune getroffene Wette ausführen, in der der schnellste 100-m-Sprinter ermittelt werden sollte. Karl Heidelberger hatte die drei Helden für das Unternehmen sogar in Trikots gesteckt. Doch nach dem Start tat sich nicht mehr viel; denn Kreidt hatte sich beim Versuch, aus den Startlöchern zu kommen, eine schmerzhafte Zerrung zugezogen. Der Spott verrauchte flugs, nur Peter Niessen brummelte immer noch. Spieler wie Fröhlich, Gärtner, Fritzsch und Stockhausen wanderten ab, Otto Herbertz und Werner Vigna beendeten ihre Laufbahnen. Mit Waldemar Gerhardt, Werner Biskup sowie aus Düsseldorfer Gefilden "Moppel" Jestremski - ihn ertappte Trainer Klötzer einmal mit einer Flasche, die zur Verblüffung des auf Sünderjagd befindlichen Coaches jedoch mit Baldrian gefüllt war - und Gerd Wünsche lauteten die Verstärkungen, mit denen 1965/66 die Verwirklichung des Ziels Bundesliga-Aufstieg in Angriff genommen wurde.


Meist holten die Düsseldorfer nach einem Torerfolg sogar das Leder selbst aus dem gegnerischen Kasten, um keine Zeit für den nächsten Angriff verstreichen zu lassen. Ein solcher Augenblick wurde am 29. August 1965 festgehalten. Die Fortuna schlug damals auswärts nach spannendem Spiel Westfalia Herne mit 3:2.

Die Stamm-Elf mit Görtz (Krüssenberg), Hellingrath, Wünsche, Hoffmann (Jestremski), Biskup, Hafner, Marzek, Strauße, Meyer, Gerhardt (Schult) und Hoffer holte sich mit 58:10 Punkten und 79:22 Toren die Meisterschaft vor Rot-Weiß Essen und Alemannia Achen. Am Schluß einer nervenaufreibenden Aufstiegsrunde soll zwar wieder der Mann mit dem Geldkoffer unterwegs gewesen sein, doch nach dem alles entscheidenden 5:l-Erfolg am Bieberer Berg über Kickers Offenbach glaubte in Düsseldorf niemand an krumme Geschäfte. Freudetrunken badete der Fortuna-Anhang, darunter Vorstandsmitglieder, im Stadtgraben an der Königsallee. Die Ernüchterung erfolgte nach nur einer Spielzeit. Wochen später stellte Kuno Klötzer, wie damals üblich, bei Kerzenschein im Benrather Hof die Neuen wie Wolfgang Fahrian, Alfred Brecht, Klaus Iwanzik, Gerd Klier, Wolfgang Matz, Günter Nasdalla und Jürgen Papies zum erneuten Anlauf vor. Da fehlte wie in Heinrich Heines Besazar eigentlich nur ein Menetekel. Seiner ansichtig wurde der Trainer, als er die festliche Runde verließ. In einer Düsseldorfer Tageszeitung las er von seiner Kündigung. Peinlich, peinlich.
Nachfolger wurde der Wiener Ernst Melchior, der über beste Referenzen verfügte, an der Sporthochschule sein Trainerdiplom mit der Note "sehr gut" bestanden hatte. Der Wiener verfügte kaum über Erfahrungen im deutschen Fußballgeschäft. Seine Pappenheimer, sprich Spieler, von denen einige auch nicht den Verlockungen der längsten Theke der Welt widerstehen konnten, nutzten die Trainerschwächen weidlich aus. Fortuna verlor sogar gegen den nur über die Schulter betrachteten Lokalkonkurrenten VfR Neuss mit 4:5, schlidderte in ein tiefes Wellental. Melchior mußte vorzeitig seinen Hut nehmen, Bernd Öles konnte als neuer Trainer das leckgeschlagene Schiff nicht mehr flott machen. Der altbekannte Schlendrian hatte sich bei Fortuna erneut breitgemacht. Da entschloß sich der Vorstand, der inzwischen in Flingern eine vernünftige Heimstatt geschaffen hatte, zur Radikalkur. Mit Otto Knefler kam 1968/69 ein als eisenhart geltender Trainer. Regelrecht abgewrackt wurden Leute wie Brecht, Klier, Krostina, Matz und Nadalla, die auf der ganzen Linie versagt hatten. Werner Biskup zog es zum Nachbarn 1. FC Köln in die Bundesliga. Werner Lungwitz (Münster), Werner Kriegler von der Turu, Peter Biesenkamp von den eigenen Amateuren, Jugendnationalspieler Rainer Geye (Eintracht Duisburg), Klaus Budde vom Amateurmeister VfB Remscheid und Torwart Wilfried Woyke erwuchsen zu neuen Säulen. Pünktlichkeit im Training war nun ein Gesetz. Es wagte kein Spieler mehr, aus der Reihe zu tanzen. Doch eine anfängliche Erfolgsserie riß plötzlich ab, Rot-Weiß Oberhausen und Rot-Weiß Essen machten in der Regionalliga das Rennen um die Aufstiegsrunden-Teilnahme. Dann gewann Knefler seinen einstigen Schüler Bernd Franke als Fahrian-Nachfolger bei Fortuna. Aber der große Wurf gelang dem langen Sachsen, der zum Ende der Spielzeit um Vertragsauflösung bat, nicht. Doch er hinterließ bei Fortuna geordnete Verhältnisse, die seinem Nachfolger Heinz Lucas Wege ebneten und 1971 endlich den Wiederaufstieg brachten.


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Fotos für die Ewigkeit:
Hier stellen die mächtigen ALTsTARS die schönsten Bilder rund um "ihre" Fortuna zusammen. Wir bedanken uns bei allen Fotographen und freuen uns über jedes weitere Bild das ihr uns schickt oder bei uns nach langem Suchen endlich findet...